Bildungsdebatte KI: Chancen und Herausforderungen

Die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) stößt neue Ansätze im Bildungsbereich an. Technologien wie ChatGPT oder adaptive Lernplattformen können das Lernen individueller und effizienter gestalten, bringen jedoch zugleich komplexe Herausforderungen für Schulen und Bildungspolitik mit sich.
Graphische Darstellung einer Debatte zwischen einem Mensch und einem Roboter, die hinter einem Rednerpult stehen.

Auf dem Berliner KI-Summit tauschten kürzlich rund 200 Lehrkräfte ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Unterricht aus. Gemeinsam mit Fachleuten und der Staatssekretärin Christina Henke diskutierten sie Chancen und Risiken der Technologie, etwa im Hinblick auf Medienkompetenz, Datenschutz, Urheberrecht und ethische Fragestellungen. Wie sich Unterricht bereits heute verändern kann, zeigte ein Beispiel aus Berlin: Die Lehrerin Meike Howein hat an ihrem Gymnasium das Wahlpflichtfach „LeKI – Lernen mit KI“ eingeführt. Dort lernen Schülerinnen und Schüler die Grundlagen der Technologie kennen. Sie beschäftigen sich mit Algorithmen, neuronalen Netzwerken, dem Phänomen der KI-Halluzinationen und den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung. Ihr Kurs gilt vielen als wegweisend, weil er zeigt, wie KI-Kompetenzen praxisnah vermittelt werden können. Gesprächsstoff bot auch der von den Bundesländern entwickelte Chatbot „telli“, der Lehrkräfte schon heute in vielen Bundesländern bei der Unterrichtsvorbereitung hilft und Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Lernen anleitet sowie das „Adaptive Intelligente System“ (AIS), das Lernende ab 2026 individuell beim Lernen unterstützen soll. 

Zwar richteten sich die auf der KI-Summit vorgestellten Projekte vor allem an allgemeinbildende Schulen, doch die Botschaft ist offensichtlich: Auch für die berufliche Bildung gewinnt die Debatte an Dringlichkeit. Lehrkräfte beruflicher Schulen spüren zunehmend den Druck, Auszubildende systematisch auf eine Arbeitswelt vorzubereiten, in der KI selbstverständlich Teil des Alltags ist.

Anpassungs- und Fortbildungsbedarf wächst

Das im Juni 2025 erschienene repräsentative „Deutsche Schulbarometer“ der Robert Bosch Stiftung, das auch Berufsschullehrkräfte einbezieht, zeigt deutlich, dass sich viele Lehrkräfte um mögliche negative Auswirkungen von KI auf die Kompetenzentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler sorgen. Über 60 % erwarten Nachteile bei sozialen, kommunikativen und kritischen Fähigkeiten. Diese Skepsis betrifft auch die Struktur des Schulsystems, denn viele Lehrkräfte zweifeln daran, dass bestehende Prüfungs- und Bewertungssysteme den durch KI veränderten Lernrealitäten weiterhin gerecht werden können.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) fordert daher bereits seit 2023 einen grundlegend neuen Leistungsbegriff. Klassische Hausaufgaben- und Klausurformate verlieren aus seiner Sicht zunehmend an Aussagekraft, wenn KI-Tools große Teile der Lösungen automatisiert generieren können. Der Verband betont, dass klarer definiert werden muss, welche Kompetenzen geprüft werden sollen – die Reproduktion von Wissen oder die Fähigkeit, Prozesse kritisch zu reflektieren und kreativ zu gestalten. 

Auch die Kultusministerkonferenz (KMK) weist in ihrer „Handlungsempfehlung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen“ aus dem Jahr 2024 darauf hin, dass Prüfungs- und Bewertungskulturen weiterentwickelt werden müssen. Sie betont, dass zentrale Zukunftskompetenzen wie Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken bei Unterrichtsgestaltung und Leistungsmessung stärker berücksichtigt werden sollten. Die KMK knüpft in dieser Handlungsempfehlung eng an ihr Ergänzungspapier von 2021 „Lehren und Lernen in der digitalen Welt – die ergänzende Empfehlung zur Strategie Bildung in der digitalen Welt“ an und erweitert es um spezifische Aspekte zum Umgang mit KI. Zudem veröffentlichte die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK (SWK) ebenfalls 2024 das Impulspapier „Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem“, das Hinweise zum Einsatz großer, auf Textverarbeitung spezialisierter KI-Sprachmodelle im schulischen Kontext liefert. Die aktuelle Handlungsempfehlung der KMK greift diese Impulse auf und überträgt sie auf konkrete Maßnahmen für die Länder. Ziel ist es, eine gemeinsame Position zum Umgang mit KI-Anwendungen in Schulen zu entwickeln und abgestimmte Schritte für die Umsetzung festzulegen. Das EU-Dokument „Ethische Leitlinien über die Nutzung von KI und Daten für Lehr- und Lernzwecke“ liefert darüber hinaus wertvolle Empfehlungen für den ethisch verantwortungsvollen Einsatz von KI in Bildungsprozessen und ergänzt damit die nationalen Leitlinien nicht zuletzt um eine europäische Perspektive.

Gleichzeitig sehen Lehrkräfte auch Chancen durch KI: Laut dem Schulbarometer beurteilen 57 % den Einsatz von KI-Tools im Unterricht positiv oder eher positiv für die Individualisierung von Lernprozessen. Viele Lehrkräfte sehen zudem Fortbildungsbedarf – sowohl für die Unterrichtsgestaltung (54 %) als auch zur Förderung kritischen Denkens (52 %). So entsteht ein Bild, das sowohl die Notwendigkeit von Anpassungen im Bildungssystem als auch die Möglichkeiten für neue Lern- und Lehrformate deutlich macht.

Länder- und Bundesinitiativen für KI in der Ausbildung

Zukünftig wird es für Schülerinnen und Schüler entscheidend sein, KI-Anwendungen kritisch zu reflektieren und einfache, KI-gestützte Arbeitsprozesse eigenständig gestalten zu können. Dafür werden qualifizierte Lehrkräfte benötigt, die KI nicht nur bedienen, sondern auch pädagogisch sinnvoll einsetzen können. Ergänzend bedarf es didaktischer Konzepte, die Theorie und Berufsrealität miteinander verknüpfen, sowie klarer Leitlinien für den Umgang mit generativer KI – sei es im Unterricht, in Prüfungen oder in projektorientierten Lernfeldern. Dabei spielen auch Datenschutz, Transparenz und Verantwortlichkeit eine zentrale Rolle. 

Die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen, dass sich die berufliche Bildung in ganz Deutschland zunehmend mit KI auseinandersetzt – die Initiativen variieren zwar in Umfang und Schwerpunkt, doch bundesweit entstehen Angebote, die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte auf die digitalen und KI-gestützten Anforderungen der Arbeitswelt vorbereiten. 

  1. Ein besonders bekanntes Projekt ist in Nordrhein-Westfalen zu finden: An den Berufskollegs können Schülerinnen und Schüler eine Zusatzqualifikation „Künstliche Intelligenz“ erwerben. Die Lehrpläne definieren klare Lernfelder – von der Einführung in KI-Konzepte bis hin zu konkreten Anwendungsbeispielen im Betrieb. Ziel ist es, die Lernenden in die Lage zu versetzen, KI-Lösungen zu analysieren, Potenziale zu erkennen und Risiken einzuordnen.
  2. Zudem wurde mit „KI Skilling.NRW“ eine landesweite Fortbildungsoffensive gestartet, die Lehrkräfte beim Einsatz von KI im Unterricht unterstützt und KI-gestützte Lernprozesse erprobt.
  3. In Baden-Württemberg unterstützt dagegen das „KI-Zentrum Schule“ Lehrkräfte der beruflichen Bildung dabei, KI praxisnah in Unterricht und Ausbildung einzubinden. Fortbildungen zu generativer KI, ChatGPT und weiteren Themen vermitteln technische Grundlagen und regen zur Reflexion über Lehre, Lernen und die eigene Rolle im Klassenzimmer an. Ziel ist es, Lehrkräfte fit für den Einsatz digitaler Methoden zu machen, Medienkompetenz zu fördern und Berufsschulen auf die Anforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt vorzubereiten.
  4. Auf Bundesebene fördert das Projekt „KI B³ – Künstliche Intelligenz in die berufliche Bildung bringen“, das vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) unterstützt wird, die Entwicklung von Rahmenlehrplänen, Materialien und Qualifikationen für Auszubildende, Lehrkräfte und Fachkräfte. In Pilotregionen wie Reutlingen, Stuttgart und Karlsruhe wurde die Zusatzqualifikation „Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen“ entwickelt, die inzwischen in weiteren Regionen verfügbar ist. Ziel ist es, Auszubildende praxisnah auf den Umgang mit KI vorzubereiten und die berufliche Bildung auf die Anforderungen einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt auszurichten. Ferner kann im Rahmen von KI B³ auch die Befähigung Geprüfte/-r Berufsspezialist/-in für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (IHK) und der Bachelor Professional in Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen (IHK) erworben werden.
  5. Zudem engagiert sich das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) intensiv für die systematische Förderung von KI-Kompetenzen in der beruflichen Bildung. Ein zentraler Bestandteil dieser Aktivitäten sind die regelmäßigen KI-Montagsforen, in denen Expertinnen und Experten über die Vermittlung von Grundlagen, Kompetenzen und ethischen Aspekten von Künstlicher Intelligenz diskutieren.
  6. Ein weiteres Förderinstrument ist der Hermann-Schmidt-Preis, mit dem besonders innovative Projekte ausgezeichnet werden, die KI praktisch in der beruflichen Bildung umsetzen. Gefragt sind Konzepte, die KI didaktisch einbetten, Lernorte vernetzen und Ausbildung innovativ gestalten.
  7. Darüber hinaus läuft seit Juni 2025 das Forschungsprojekt „Generative KI in der beruflichen Bildung“. Ziel des Projekts ist es, den aktuellen Einsatz generativer KI, etwa von Chat-Modellen, in Berufsschulen, überbetrieblichen Bildungsstätten und Betrieben zu erfassen und darauf aufbauend didaktisch durchdachte Konzepte für Ausbildung und Fortbildung zu entwickeln. Dabei sollen sowohl die Potenziale als auch die Risiken generativer KI für Lernprozesse berücksichtigt werden. 

Universitäten, IHKs und Forschung stärken KI-Bildung

Ergänzend arbeiten auch Industrie- und Handelskammern (IHKs), Universitäten und andere Träger in verschiedenen Regionen an Fortbildungen und Trainings, um Lehrkräften, Ausbildenden und Auszubildenden den sicheren Umgang mit KI zu vermitteln und die Medien- und Handlungskompetenz zu stärken. 

  1. Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf macht mit ihrem Projekt „KI für alle“ Grundlagenwissen zu Künstlicher Intelligenz für alle Interessierten zugänglich. Ziel ist es, systematisch KI-Kompetenzen zu vermitteln und Lernende für Chancen, Risiken und Anwendungen von KI zu sensibilisieren. Das niederschwellige Material ist in der HubbS-Mediathek frei verfügbar.
  2. In dem Projekt „KI in der Berufsausbildung“ bieten das Fraunhofer Institut IAIS und die Google Zukunftswerkstatt kostenlose E-Learning-Kurse und Live-Trainings für Lehrkräfte, Ausbildende und Berufsschulklassen an. In den Kursen werden praktische und interaktive Aufgaben eingesetzt. Damit lernen Lehrkräfte, wie KI funktioniert, wie man sie im Unterricht einsetzt und bekommen zusätzlich noch Unterrichtsmaterialien zur Verfügung gestellt.
  3. Für weiterführende Informationen und eine differenzierte Auseinandersetzung mit KI im Bildungswesen liefert das Dossier „KI in der Bildung“ von Educa eine umfassende Übersicht über Einsatzmöglichkeiten, Datenschutz und -anforderungen sowie rechtliche Fragestellungen.

Ein Fach „KI“ oder KI in allen Fächern?

Die geschilderten Entwicklungen und Initiativen zeigen deutlich, dass KI die berufliche Bildung schon jetzt nachhaltig verändert. Damit stellt sich letztendlich auch eine zentrale Frage: Sollte KI ein eigenes Fach werden oder fächerübergreifend in alle Lernbereiche integriert sein? Ein eigenes Fach könnte klare Strukturen, feste Lernziele und ausreichende Ressourcen bieten, um Grundlagen der KI, Funktionsweisen, Chancen, Risiken sowie ethische Fragen systematisch zu vermitteln. Eine fächerübergreifende Integration hingegen ermöglicht es, KI unmittelbar im jeweiligen beruflichen Kontext zu verankern – etwa im kaufmännischen Bereich, in technischen Berufen oder im Gesundheitswesen. 

Für die berufliche Bildung spricht vieles für einen kombinierten Ansatz: Ein Basismodul, das allen Auszubildenden grundlegende KI-Kompetenzen vermittelt, könnte durch berufsspezifische Vertiefungen ergänzt werden, die digitale und KI-gestützte Arbeitsprozesse praxisnah aufgreifen. Gleichzeitig bleibt es wichtig, methodisch-digitale Kompetenzen in allen Fächern mitzudenken und als Querschnittsthema zu verankern. Auf diese Weise können Auszubildende nicht nur KI-Tools bedienen, sondern sie kritisch reflektieren, sinnvoll einsetzen und eigene KI-gestützte Arbeitsprozesse gestalten – Fähigkeiten, die in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt unverzichtbar sein werden.

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>> Mehr Informationen vom BIBB über KI in der beruflichen Bildung finden Sie hier.

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HubbS-Redaktion
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