Duale Ausbildung auf Englisch?

Das Land Sachsen möchte duale Ausbildungsgänge an einigen Berufsschulen auch auf Englisch anbieten. Der rasant steigende Bedarf an Fachkräften in der Halbleiterbranche soll so besser gedeckt werden.
Eine junge Auszubildende sitzt an einem Mikroskop und arbeitet an einer Leiterplatte.
Englischsprachige Berufsausbildungen sind eine innovative Möglichkeit, dem Fachkräftemangel zu begegnen, erfordern jedoch vorab Gesetzesänderungen. © iStock / martin-dm

Kultusministerium und IHK in Sachsen stellten kürzlich ihre Idee vor, duale Berufsausbildungen künftig auch auf Englisch anzubieten. Damit könnten junge Menschen bspw. aus Polen und Tschechien leichter die Ausbildung beginnen und dann nebenbei Deutsch lernen. Eine solche Reform ist aber mit nicht unerheblichen Hürden verbunden.

Reaktion auf steigenden Bedarf im Bereich Mikrotechnologie

In Dresden boomt die Chiptechnologie, jeder dritte in Europa gefertigte Mikrochip kommt von hier. Im Netzwerk „Silicon Saxony“ haben sich 600 Unternehmen aus der Halbleiter- und Mikrosystemindustrie zusammengeschlossen. Hier bündeln große Technologiekonzerne, aber auch kleine und mittleren Unternehmen sowie Start-ups ihre Kompetenzen und fördern eine enge Zusammenarbeit von Industrie, Forschung und Lehre.

Bau einer neuen Halbleiterfabrik und einer modernen Elektronik-Berufsschule

Das derzeit größte Projekt in Sachsen ist wohl eine neue Halbleiterfabrik in Dresden, die vom Joint Venture ESMC (European Semiconductor Manufacturing Company), bestehend aus dem taiwanischen Produzenten TSMC, Infineon, Bosch und NXP, errichtet wird. Insgesamt wird in Sachsen ein Bedarf an 1000 neuen Fachkräften pro Jahr entstehen, der nicht allein mit sächsischen Auszubildenden gedeckt werden kann.
Zudem entsteht ein neues Gebäude für das Elektronik-Berufsschulzentrum in Dresden Prohlis, dessen Fertigstellung für 2028 geplant ist. Der Neubau wird zum überwiegenden Teil aus Fördergeldern der EU finanziert. Dort sollen beispielsweise die für die Chipindustrie wichtige Mechatroniker-Ausbildung auf Englisch und die Ausbildung zum Mikrotechnologen bilingual stattfinden. Das haben der sächsische Kultusminister Conrad Clemens (CDU) und der Dresdner Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) angekündigt.

Chancen für Berufsschulen und Unternehmen

Eine Reform der Berufsausbildung mit einer Umstellung auf englischsprachigen Unterricht bringt einige Vorteile. So würde das weltweit anerkannte deutsche System der dualen Ausbildung internationalisiert und geöffnet für ausländische Auszubildende. Die niedrigere Sprachbarriere könnte zu mehr Auszubildenden führen, was dem Fachkräftemangel in vielen Branchen entgegenwirken würde. Außerdem würden bessere Englischkenntnisse den deutschen Auszubildenden das Arbeiten in internationalen Unternehmen erleichtern.

Umstellung auf Englisch mit erheblichem Aufwand verbunden

Aber wie einfach ist es, eine Ausbildung auf englischsprachigen oder bilingualen Unterricht umzustellen? Es gibt einige bürokratische Hürden sowie Bedenken aus kleinen und mittleren Unternehmen:

  • Laut Berufsbildungsgesetz muss die Prüfung in der dualen Ausbildung auf Deutsch abgelegt werden. Hier müsste also vorab das Gesetz geändert werden – und zwar bundesweit, da die duale Ausbildung auf Bundesebene geregelt ist.
  • Mit hohem Aufwand wäre außerdem die Anpassung der Prüfungsordnungen verbunden.
  • Zudem müssten vorab die Englischkenntnisse des Prüfpersonals sichergestellt werden.
  • Auch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz müsste angepasst werden: Bislang müssen künftige Auszubildende in der Regel Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 nachweisen können.
  • Sämtliche in den betroffenen Ausbildungen genutzten Lehrwerke, Schulbücher und Schulunterlagen müssten auf Englisch übersetzt werden.
    In großen Technologiekonzernen gängige Praxis, aber in kleineren Unternehmen bisher nicht: Englisch als Arbeitssprache. Hier könnte es Probleme beim Ausbildungspersonal geben, da nicht jede und jeder ausreichend Englischkenntnisse besitzt.
  • Auch die Englischkenntnisse sämtlicher beteiligter Lehrkräfte in den Berufsschulen müssen sichergestellt sein – und das bei sowieso schon herrschendem Lehrkräftemangel.
  • Zudem könnten deutsche Schülerinnen und Schüler mit schlechten Englischkenntnissen oder wenig Sprachbegabung „abgehängt“ werden.

Fazit: Zukunftsmodell mit Fragezeichen

Es wird also nicht leicht, die neuen englischen Ausbildungsgänge einzuführen. Laut Bundesbildungsministerium seien Angebote für Menschen aus dem Ausland willkommen, der Erwerb der deutschen Sprache müsse aber Bestandteil in der Berufsausbildung bleiben und es könne nicht dauerhaft auf Deutsch in Ausbildung und Prüfung verzichtet werden. Die innovative Idee des Landes Sachsen birgt viel Potenzial, ist aber mit erheblichem organisatorischem Aufwand verbunden. Ob sie umgesetzt werden kann, ist derzeit offen.
 

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Autor
HubbS-Redaktion
aktualisiert
aktualisiert: 10.09.2025