Emotionsfrei unterrichten

Professionelle Distanz zu bewahren ist eine hilfreiche Schlüsselkompetenz im Berufsschulalltag. In diesem Artikel geben wir Ihnen Tipps und Tricks dafür.
Eine Lehrerin steht mit verschränkten Armen in ihrer Klasse. Sie wirkt ruhig, gelassen und kompetent.
Eine Berufsschullehrkraft, die ihre Emotionen wahrnehmen, reflektieren und kontrolliert einsetzen kann, schaffen eine Atmosphäre von Respekt, Verlässlichkeit und Vertrauen. © iStock / Miljan Živković

Als Berufsschullehrkraft begegnet man täglich einer großen Vielfalt an Lernenden: jungen Erwachsenen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, Motivationen und Haltungen gegenüber der Schule und dem Lernen. Begeisterung, Mitgefühl, Ärger oder Frustration gehören zum schulischen Alltag. Diese Bandbreite bereichert den Unterricht, kann für die Lehrkraft aber auch emotional herausfordernd sein. Wer gerecht und souverän unterrichten möchte, muss lernen, seine Emotionen zu steuern, ohne sie zu verdrängen. Emotionsfrei zu unterrichten bedeutet somit nicht, gefühllos oder distanziert zu sein, sondern bewusst, reflektiert und fair zu handeln.

Erkennen statt Reagieren

Der erste Schritt zu professioneller Distanz ist die eigene emotionale Selbstwahrnehmung. Jede pädagogische Situation löst Gefühle aus – manchmal subtil, manchmal intensiv. Entscheidend ist, diese Emotionen zu erkennen und richtig einzuordnen. Dabei hilft es, immer wieder bewusst zu spüren, welche Momente im Unterricht eine starke Wirkung auf Sie haben. Eine einfache Methode ist die „innere Ampel“: Rot steht für innehalten, Gelb für nachdenken und Grün für überlegt reagieren. Hier ein Beispiel: Ein Schüler kommt zu spät und wirft eine provokante Bemerkung in den Raum. Sie spüren den Ärger, erinnern sich an Ihre „innere Ampel“, halten kurz inne, atmen tief durch und reagieren dann bewusst ruhig, sachlich und souverän. So vermeiden Sie, impulsiv zu handeln oder persönliche Kränkungen in das Unterrichtsgeschehen einfließen zu lassen. 

Hilfreich ist auch ein Perspektivenwechsel, das sogenannte „Reframing“. Das bedeutet, eine Situation aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, um ihr eine andere, meist positivere Bedeutung zu geben. Hier ein Beispiel: Statt zu denken „Diese Schülerin provoziert mich“, können Sie sich auch sagen „Sie testet gerade Grenzen, um Sicherheit zu gewinnen“. Diese Haltung verhindert Eskalationen und stärkt Ihre pädagogische Autorität.

Fair bleiben dank klarer Regeln

Gleichbehandlung und Fairness im Unterricht entstehen weniger durch Gefühle als durch klare, nachvollziehbare Strukturen. Wenn alle Lernenden wissen, nach welchen Maßstäben sie beurteilt werden, fühlen sie sich ernst genommen, auch wenn sie einmal Kritik erhalten. Dazu ist es immer wieder notwendig, sich als Lehrkraft selbst zu reflektieren: Behandle ich alle Lernenden gleich? Zeige ich unbewusst mehr Nachsicht oder Aufmerksamkeit für bestimmte Schülerinnen oder Schüler? Solche Fragen helfen, unbewusste Bevorzugungen zu erkennen und bewusst gegenzusteuern. Darüber hinaus schaffen Sie durch einheitliche Regeln und konsequentes Handeln eine verlässliche Grundlage für gerechte Pädagogik und behalten zugleich Ihre emotionale Ausgeglichenheit.

Nähe mit Abstand

Emotionsfreies Unterrichten bedeutet aber nicht, sich völlig von den Lernenden zu distanzieren. Professionelle Nähe ist sogar wichtig, um Vertrauen aufzubauen. Die persönliche Haltung ist dabei entscheidend. So sollten Sie bei den Lernenden nicht die Rolle eines Freundes oder einer Freundin einnehmen, sondern die eines Lernbegleitenden. Dabei können Sie empathisch sein, ohne sich in persönliche Geschichten der Lernenden hineinziehen zu lassen. Wenn Sie Interesse an den Lernfortschritten zeigen, aufmerksam zuhören und respektvoll reagieren, fördern Sie die Motivation und Lernbereitschaft jedes einzelnen Lernenden. Gleichzeitig sollte Ihre Kommunikation immer sachlich bleiben. Denn Kritik richtet sich auf Verhalten, nicht auf Personen. Ein Satz wie „Ihr Verhalten war störend“ wirkt respektvoller und professioneller als „Sie sind respektlos“.

Gelassenheit als Unterrichtskompetenz

In herausfordernden Situationen mit Schülerinnen und Schülern entscheidet emotionale Stabilität über den weiteren Verlauf. Provokationen, Unlust oder Konflikte lassen sich nie vollständig vermeiden, aber ihre Wirkung kann abgeschwächt werden. Eine bewusste, tiefe Atmung vor der Reaktion hilft, die Kontrolle über den Moment zurückzugewinnen. Auch ritualisierte Formulierungen wie „Ich verstehe Ihren Punkt, aber lassen Sie uns sachlich bleiben“ schaffen Distanz und Struktur. Körpersprache spielt dabei eine zentrale Rolle: Eine ruhige Stimme, eine offene Haltung und ein  fester Stand signalisieren Gelassenheit und Souveränität. Wer Ruhe ausstrahlt, überträgt diese Stimmung unbewusst auch auf die Lernenden.

Selbstfürsorge für Lehrkräfte

Emotionale Selbstkontrolle entsteht nicht automatisch, sondern durch gezielte Selbstfürsorge. Sie können nur dann professionell distanziert handeln, wenn Sie selbst innerlich stabil sind. Regelmäßige Reflexion im Kollegium hilft, schwierige Situationen zu verarbeiten und neue Perspektiven zu gewinnen. Ebenso wichtig sind Pausen, Bewegung und bewusste Erholung. Dazu gehören kurze Spaziergänge und Atemübungen genauso wie ein Moment der Stille zwischen zwei Unterrichtsstunden. Auch klare Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben sind unerlässlich: Schulisches sollte in der Schule bleiben, damit Sie im Privaten auftanken können. 

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In diesem Artikel stellen wir Ihnen fünf wirksame Übungen zur Entspannung und Selbstfürsorge vor, die Sie sowohl privat als auch in der Berufsschule anwenden können. 

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Autor
HubbS-Redaktion
aktualisiert
Veröffentlicht: 24.10.2025