Diese Videokonferenz ist Teil der Online-Veranstaltungsreihe "In gesellschaftlichen Umbrüchen navigieren" des GEW-Arbeitsbereichs Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik.
Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität und der sexuellen Orientierung ist alltäglich, auch im Bildungssektor. Die GEW setzt sich für geschlechtliche Vielfalt ein und nimmt vielfache Bestrebungen vor, geschlechtliche Vielfalt in Bildungscurricula zu verankern, Diskriminierung vorzubeugen und queere Kolleginnen und Kollegen zu stärken.
Am 10. Dezember ist Internationaler Tag der Menschenrechte. Die GEW nimmt diesen Tag zum Anlass, sich mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auseinanderzusetzen und antifeministische Angriffe auf Bildung genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu berichtet Erziehungswissenschaftlerin Juno F. Grenz von ihren Forschungsergebnissen.
In der Arbeit „Bildung in Zeiten von Antifeminismus“ untersucht die Autorin die Debatte um den ‚Bildungsplan 2015‘, die den Beginn der sogenannten ‚Anti-Gender‘-Mobilisierung in Deutschland markiert. Die Debatte begann damit, dass im Herbst 2013 ein Arbeitspapier des baden-württembergischen Kultusministeriums öffentlich wurde, aus dem die Absicht hervorging „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ als Bildungsziel im neuen Bildungsplan zu verankern. Gegen dieses Vorhaben wurde eine Petition eingereicht, die fast 200.000 Menschen unterschrieben. Von Februar 2014 bis Februar 2016 demonstrierten anschließend tausende selbsternannte „besorgte Eltern“ gegen eine angebliche „Gender-Ideologie“ und „Frühsexualisierung per Bildungsplan“.
Die bildungs- und queertheoretische Analyse der Debatte zeigt u. a., dass queere Lebensweisen in den antifeministischen Angriffen auf die baden-württembergische Bildungsplanreform sexualisiert, pathologisiert und kriminalisiert werden. Entgegen der öffentlichen Darstellung zeigt die Analyse aber auch, dass auch im Bildungsplan selbst keineswegs Gleichstellung hergestellt wird, sondern Zweigeschlechtlichkeit (also die angeblich ausschließliche Existenz von zwei und nur zwei Geschlechtern – Männern und Frauen) und Heterosexualität auch hier als Norm und queere Lebensweisen als Abweichung verstanden werden: In einem neoliberalen Verständnis von Bildung wird „Umgang mit (sexueller) Vielfalt“ als individuell zu erwerbende Kompetenz gerahmt. Die ‚Normalen‘ sollen hiernach lernen mit den ‚Anderen‘, den sexuell Vielfältigen umzugehen, da diese Fähigkeit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt steigere.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse kommt die Arbeit zu dem Schluss, dass queere, machtkritische Bildung in neoliberal-kompetenzorientierten und antifeministisch-autoritären Zeiten keineswegs eine wertvolle Ergänzung für einige wenige Betroffene, sondern eine demokratische Notwendigkeit darstellt.
Referentin
Juno F. Grenz
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaften
im Arbeitsbereich Geschlechterforschung, Europa-Universität Flensburg
Kontakt
Brigitte Eßer-Wolff
Assistenz im VB Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik
Telefon: 069/78973-305
E-Mail: brigitte.esser@gew.de
Janina Henkes
Referentin im AB Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik
Telefon: 069/78973-306
E-Mail: janina@henkes@gew.de