Personalisiertes Lernen an der Berufsschule – ein Schulversuch

Spannende Beispiele aus der Praxis zur Nutzung von digitalen Medien
Auszubildende in der Werkstatt
Auszubildende haben die Ideen der Projekte des Schulversuchs geprüft. © iStock / fotografixx

Von 2020 bis 2023 fand der Schulversuch „PerLen 4.0 – neue Lernkultur durch personalisiertes Lernen“ an 14 Berufsschulen in Bayern statt. Ziele waren die Entwicklung und Erprobung von Konzepten zur Förderung von personalisiertem Lernen mit digitalen Medien und die Vermittlung von Kompetenzen für die Arbeitswelt von morgen. Initiator war die Stiftung Bildungspakt Bayern, wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt u. a. von Mitarbeitenden der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, der Technischen Universität München und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 

Was versteht man unter personalisiertem Lernen? 

Das Projekt hat sechs Merkmale von personalisiertem Lernen für die Berufsbildung herausgearbeitet: 

  1. Umfassende Orientierung an fachlichen und personalen Kompetenzen
  2. Erfassung der Lernausgangslage und individuelle Förderung
  3. Selbstgesteuertes Lernen
  4. Nutzung digitaler Lernmedien
  5. Sichtbarmachung von Lernfortschritten
  6. Geteilte Verantwortung für das Lernen

Beispiele für Projekte mit personalisiertem Lernen

Im Werkstattbericht wurden nun erste Ergebnisse des Schulversuchs veröffentlicht. Darunter finden sich viele wirksame Beispiele aus der Unterrichtspraxis, von denen wir hier einige vorstellen möchten:

Deutsch-Diagnose-Tool (Berufsschule 1 Kempten)

  • Für Eingangsklassen in der 10. Jahrgangsstufe zum Überprüfen der Deutschkenntnisse
  • Halbstündiger Online-Screening-Test prüft das Textverständnis der Schülerinnen und Schüler
  • Anschließend bekommt die Lehrkraft automatisiert Rückmeldung zur Lernausgangslage für jede Schülerin und jeden Schüler im Fach Deutsch
  • Nächster Schritt: individuelle Tests, um spezifischen Förderungsbedarf zu ermitteln

 

Digitale Lerntheke (Berufsschule 2 Nürnberg)

  • Schülerinnen und Schüler sollen mit ihrem aktuellen Wissensstand abgeholt werden
  • Diagnoseinstrument ermöglicht Einteilung der Schülerschaft in drei Gruppen: Anfänger, Fortgeschrittene und Profis
  • Dann erfolgt selbstgesteuertes Lernen: In der Lerntheke erledigen die Schülerinnen und Schüler Aufgaben mit geeigneten Unterrichtsmaterialien im individuellen Lerntempo selbstständig
  • Auf den Lernpfaden werden verschiedene Lernmedien genutzt
  • Der Lernstand der einzelnen Schülerinnen und Schüler wird der Lehrkraft auf einem Dashboard gezeigt
  • Schülerschaft hat auch Einsicht auf diese Übersicht zum Lernprozess
  • Konzipiert wurde eine Woche zum Thema Instandhaltung/ Elektrotechnik

 

E-Learning-Konzept zur Vorbereitung auf die Gesellenprüfung (Berufliches Schulzentrum Kronach)

  • E-Learning-Konzept mit der Oberfläche eines Computerspiels
  • Asynchroner Ansatz im Fachbereich Elektrotechnik für den Handwerksberuf Elektroniker/in für Energie- und Gebäudetechnik
  • Schülerinnen und Schüler können entscheiden, ob sie Lernpfade anhand einer praxisnahen Lernsituation nutzen oder sich das Wissen einzeln erschließen
  • Beide Varianten wurden von den Schülerinnen und Schülern sehr gut angenommen

 

Interaktive Lernvideos (Berufsschule 2 Kempten)

  • Lernvideos wurden mit H5P-Inhalten angereichert
  • Schülerinnen und Schüler beantworten Fragen zum Inhalt des Films, erst dann läuft das Lernvideo weiter
  • Vorteil: Zeit- und ortsunabhängige Nutzung durch Schüler
  • Auch möglich: selbsterstellte Erklärvideos durch Schüler
  • Dabei eignen sie sich Fachwissen und digitale Kompetenzen an

 

Hybride Lernlandschaft (Johann-Bierwirth-Schule Memmingen, Berufsschule für Fertigungstechnik München und TU München)

  • Grundidee: Über eine Lernplattform wird alles, was für das Lernen benötigt wird, zur Verfügung gestellt
  • Man kann in analogen Lernphasen darauf zurückgreifen, die Schülerinnen und Schüler können aber auch außerhalb ihrer Lernräume darauf zugreifen
  • Umgesetzt wurde es als ein Kurs in der Lernplattform Mebis mit analogen und digitalen Lernphasen
  • Lernsituation wurde in unterschiedliche Sequenzen zur Wissensaneignung und -erschließung gegliedert: einzelne Lernmodule mit verschiedenen digitalen Features wie z. B. Erklärvideos, interaktive Anleitungen und Feedback-App
  • Wichtig sind bereitgestellte Infos zur Handhabung, damit die Schülerinnen und Schüler sich auf der Plattform zurechtfinden
  • Themenkomplex: Automatisierungstechnik (speicherprogrammierbare Steuerung) in einer Lernsituation für das Lernfeld 13 im Beruf Industriemechaniker/in (3./4. Ausbildungsjahr) 

 

Lernarchitekturen (Berufsschule Cham)

  • Selbstlernkurs zum Erwerb von digitalen Kompetenzen mit einer Mischung aus Lernpfaden (mit Lernvideos, Infotexten, Präsentationen, Escape Games und Übungen), regelmäßigen Onlinesprechstunden und Live-Chat für Fragen
  • Außerdem gibt es personalisierte Förderangebote für die Themenbereiche Buchführung und Kosten- und Leistungsrechnung: https://www.lernenohneraumundzeit.com

 

Der digitale Holzhandwerker – Werkstatt 4.0 (Berufliches Schulzentrum Waldkirchen, OTH Regensburg und TH Rosenheim)

  • Projekt an der Schnittstelle zwischen Ingenieur/innen und Handwerker/innen
  • Simulation einer Realsituation: Wirklichkeitsnahe Bearbeitung eines vorgegebenen Auftrags durch Planungsbüro (Hochschule) und ausführende Firma (Berufsschule)
  • Aufgabe: Entwickeln von einem pädagogischen Präsentationsmöbelsystem für Schulen
  • Umsetzung des Planspiels: Ausrüsten der Unterrichtsräume zu Werkstätten 4.0 mit Barcode-System, VR-Brille und Abbundmaschine, Schulungen für Lehrkräfte und Schülerschaft, Kurs zu digitaler Kommunikation für Schülerschaft

Wie geht es weiter?

Der Schulversuch zeigt, was für beeindruckende Ergebnisse man mit Kooperation, Vernetzung und der nötigen finanziellen Unterstützung erreichen kann. Die an den Projekten Beteiligten haben viele ausgezeichnete Ideen hervorgebracht und umgesetzt. Dabei wurden die Kompetenzen externer Partner gut eingebunden. Nun gilt es, die nötigen Systeme und Strukturen zu schaffen, um die Ergebnisse flächendeckend umzusetzen, damit auch andere Berufliche Schulen sich vergleichbare Netzwerke und Infrastrukturen aufbauen können, die sich an ihrem jeweiligen Bedarf orientieren.
 

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Autor
HubbS-Redaktion
aktualisiert
aktualisiert: 19.01.2024