Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz hat ein Maßnahmenpaket zur Lösung des Lehrkräftemangels vorgeschlagen, das auf breite Kritik gestoßen ist. Sind darunter auch brauchbare Lösungen für das Problem?
Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet damit, dass der Lehrkräftemangel „uns die nächsten zehn Jahre umtreiben und nicht einfach verschwinden“ werde. Das sagte er bei einem Bürgergespräch in seinem Bundestagswahlkreis in Potsdam. Bereits im Januar 2023 empfahl die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) in einer Stellungnahme mehrere Maßnahmen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel. Diese hätten das Ziel, den Einsatz qualifizierter Lehrkräfte zu verbessern und den Bedarf zu senken.
Während die Empfehlungen relativ umfangreich sind, das 40-seitige Schreiben fasst immerhin sechs zentrale Punkte zusammen, wurde in den Medien vor allem der erste Vorschlag sehr kritisch besprochen, was den Diskurs über die Stellungnahme stark beeinflusste: die Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften. Die SWK schlägt unter anderem vor, dass Teilzeitbeschäftigung reduziert und der Ruhestandseintritt angepasst werden solle.
Zu den kritischen Stimmen gehört der Autor, YouTuber und Oberstudienrat am Windeck-Gymnasium in Bühl, Bob Blume, der die Empfehlungen der SWK im Spiegel als „zu kurz gedachte Symptombekämpfung“ bezeichnet. Dass viele Lehrkräfte in Teilzeit gehen, liege daran, dass sie ansonsten weder guten Unterricht noch die dringend nötige intensive Betreuung der Schüler gewährleisten könnten. Dazu kommen über 70 Prozent weibliche Lehrkräfte, die immer noch das Gros der Care-Arbeit in den eigenen Familien leisten, argumentiert Blume. Die Maßnahmen würden den Lehrkräften, die bereits am Limit seien, zusätzliche Arbeit aufbürden.
Einer der wenigen Verteidiger dieses Vorschlags ist der Soziologe und Bildungsexperte Aladin El-Mafaalani. Im Interview mit dem Spiegel sagt er, dass es tatsächlich ein Problem sei, dass die Teilzeitquote unter Lehrkräften höher sei als in vielen anderen Berufsfeldern. „Oft gibt es dafür nachvollziehbare Gründe, wie die Pflege von Kindern oder älteren Angehörigen. Ich hielte es trotzdem für vertretbar, wenn man mittelfristig sagte: 50 Prozent sollten es schon sein.“
Hier zunächst ein Überblick über die sechs zentralen Empfehlungen:
1. Erschließung von Beschäftigungsreserven bei qualifizierten Lehrkräften
2. Weiterqualifizierung von Gymnasiallehrkräften für andere Schulformen sowie Nachqualifizierung in Mangelfächern
3. Entlastung und Unterstützung qualifizierter Lehrkräfte durch Studierende und andere, formal nicht (vollständig) qualifizierte Personen
4. Flexibilisierung durch Hybridunterricht in höheren Jahrgangsstufen, Erhöhung der Selbstlernzeiten sowie Anpassung der Klassenfrequenz
5. Vorbeugende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
6. Bestandsaufnahme, Bewertung und Weiterentwicklung von Modellen des Quer- und Seiteneinstiegs
Die Empfehlungen basieren auf der Analyse des vorhandenen wissenschaftlichen Datenmaterials und differenzieren zwischen den unterschiedlichen Schulformen und den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten. Es ist selten, dass eine Krise – und es wird immer wieder betont, dass es sich beim Lehrkräftemangel um eine gewaltige Krise handelt, – leicht zu lösen ist. Die zusätzlichen Belastungen der vorhandenen Lehrkräfte ist ein Punkt von mehreren Vorschlägen, die auch Maßnahmen zur Entlastung der Lehrkräfte enthalten, zum Beispiel durch Abgabe von Verwaltungsaufgaben und durch den Aufbau von digitalen Unterrichtsmöglichkeiten.
Ein größeres Problem als die Streitbarkeit der SWK-Empfehlungen ist, dass diese aller Voraussicht nach nicht von den 16 Bundesländern umgesetzt werden, sodass zu befürchten ist, dass jedes Land weiterhin seine eigenen Antworten auf den Umgang mit dem Lehrkräftemangel suchen wird. Man kann nur hoffen, dass dabei jeweils die richtigen Maßnahmenpakete geschnürt werden, um die Lehrkräfte durch genügend zusätzliches Personal zu entlasten.
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