Unterrichten im multikulturellen Klassenzimmer

Als Berufsschullehrkraft kennen Sie das: Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nimmt zu. Hier sind einige Ideen für die Gestaltung Ihres Unterrichts in multikulturellen Klassen.
Eine Berufschulklasse mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Herkunft.
Eine Berufsschulklasse mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Herkunft bietet vielfältige Möglichkeiten der interkulturellen Arbeit. © iStock / JohnnyGreig

Gut ein Drittel der 15-20-Jährigen in Deutschland hat laut Mikrozensus 2021 einen Migrationshintergrund. Schon bei der Ausbildungssuche müssen sich die jungen Menschen einigen Herausforderungen stellen. Selbst bei gleichen Schulabschlüssen und vergleichbarer sozialer Herkunft werden SchulabgängerInnen mit Migrationshintergrund beim Übergang in eine betriebliche Ausbildung nach wie vor benachteiligt und benötigen in der Regel mehr Zeit für eine erfolgreiche Einstellung – dies geht aus dem Datenreport 2019 des Bundesinstituts für Berufsbildung BIBB hervor. Haben sie es schließlich geschafft und eine Ausbildungsstelle gefunden, sehen sich die jungen Menschen häufig weiteren Benachteiligungen ausgesetzt.
Für Sie als Lehrkraft ist die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in die Berufsschulklassen ein wichtiger Teil Ihrer täglichen Arbeit und bestimmt haben Sie sich bereits aus verschiedensten Impulsen heraus damit beschäftigt. Vielleicht ist bei den folgenden Ideen dennoch etwas Hilfreiches für Sie dabei. Wir freuen uns über weitere Tipps und Anregungen, die wir anschließend gerne in einen weiteren Artikel aufnehmen werden. Schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an redaktion@hubbs.schule


Selbstreflexion
Eine wichtige Voraussetzung für gelungenen Unterricht ist die Selbstreflexion in Bezug auf Stereotype. Treffe ich unbewusst Vorannahmen über die Lernenden, insbesondere diejenigen mit Migrationshintergrund? Die Erwartungshaltung der Lehrkraft hat nämlich einen erheblichen Einfluss auf die Leistung der Schülerinnen und Schüler – im positiven wie im negativen Sinn. Um unbewusste Vorerwartungen, z. B. anhand ausländischer Namen, zu verringern, könnte die Lehrkraft beispielsweise ihre Klassenarbeiten anonymisieren. Dazu könnte man etwa mit Nummern und einem Lösungsschlüssel arbeiten. Dies geht aber nicht ohne Hilfe aus dem Kollegium oder einem entsprechenden digitalen Tool. Auf business-wissen.de finden Sie eine Anleitung, wie man zufällige Codes in Excel generieren kann. 
Wenn Sie das Thema Rassismus einmal aus Sicht einer Betroffenen lesen bzw. hören wollen, können wir Ihnen das Buch „Exit Racism“ – auch als Hörbuch verfügbar – empfehlen. Die Autorin Tupoka Ogette thematisiert hier insbesondere den tief in unserer Gesellschaft verankerten unbewussten und unbeabsichtigten Rassismus.

Interkulturelle Kompetenz
Um Missverständnissen vorzubeugen, ist die eigene interkulturelle Kompetenz essenziell. Die kann man aber nicht „mal eben schnell“ lernen. Es handelt sich eher um einen lebenslangen Prozess und Sie als Lehrkraft haben hier sicher schon umfassende Kenntnisse. Grundsätzlich ist es wichtig, sich gegenseitig respektvoll und rücksichtsvoll zu begegnen und Interesse füreinander zu zeigen. Manchen Lernenden mag das noch schwerfallen, aber diskriminierende Aussagen sollten nicht toleriert werden. Oft können die Situationen in der Gruppe gemeinsam gelöst werden, es kann aber manchmal nötig sein, die Schulverantwortlichen und/ oder einen Mediator/ eine Mediatorin hinzuzuziehen. Falls Sie sich tiefer mit dem Thema beschäftigen wollen, stellt der Deutsche Bildungsserver eine umfangreiche Zusammenstellung von Informationen zu interkultureller Bildung im Unterricht zur Verfügung.

Perspektivenwechsel in den Unterrichtsmaterialien
Die Diversität unserer Gesellschaft darf sich auch in den Unterrichtsmaterialien widerspiegeln. Sollte das im vorhandenen Material (Schulbücher, Arbeitsblätter etc.) nicht der Fall sein, kann die Lehrkraft beispielsweise Namen, Situationen, Perspektiven etc. entsprechend anpassen, um eine Multiperspektivität zu erzeugen. Dies kann auch Inhalt lohnender Unterrichtsprojekte sein. Eine Möglichkeit ist: Die Lernenden erstellen Videos, Präsentationen usw. zu bestimmten Lerninhalten und lassen dabei ganz natürlich die eigene Herkunft, Sprache oder Geschichte mit einfließen und nehmen so ihren ganz eigenen Perspektivenwechsel vor.

Mehrsprachigkeit nutzen
Junge Menschen, die eine Ausbildung beginnen, haben zum Teil noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, sie besuchen dann meist den begleitenden Sprachunterricht. Es kann aber auch interessant sein, die Sprachen der Lernenden (Muttersprachen und gelernte Sprachen) punktuell im Unterricht mit aufzugreifen. Es dürfte zwar schwierig sein, wirkliche Mehrsprachigkeit in der Schule umzusetzen, aber es gibt Möglichkeiten, hin und wieder gezielt damit zu arbeiten. Beispielsweise kann man den Lernenden erlauben, bei der Internetrecherche die eigene Muttersprache zu benutzen, um danach die Inhalte auf Deutsch zu übertragen. Wenn Sie dieses Feld näher interessiert, finden Sie spannende Ansätze im Artikel Mehrsprachigkeit gezielt nutzen und fördern, hier wird auch auf die Überlegungen der Kultusministerkonferenz zu Mehrsprachigkeit im Unterricht Bezug genommen.

Unterstützung bei außerschulischen Anforderungen
Besonders junge Menschen, die selbst migriert sind, benötigen oft spezielle Unterstützung. Dies kann schulische Themen wie Sprachförderung und Bewerbungstraining betreffen. Aber auch außerschulische Anforderungen wie finanzielle Hilfen, Wohnsituation oder Kontakt mit verschiedenen Ämtern sind relevant. Dabei kann die Lehrkraft als Vertrauensperson nicht immer ausführlich helfen, allein schon aus Zeitgründen. Aber auch das Aushändigen von Adresslisten mit Anlaufstellen zu bestimmten Themen kann schon eine große Hilfe sein, um sich im Behördendschungel zurecht zu finden. Vielleicht liegt in der Schule bereits eine solche Liste vor, ansonsten könnten Sie zusammen mit Kolleginnen und Kollegen selbst eine zusammenstellen. Als Grundlage könnte die Seite der Bundesagentur für Arbeit dienen, die dann regional angepasst werden kann.

Fortbildungen und Literatur
Falls Sie das Bedürfnis haben, sich in diesem Feld noch mehr Kompetenzen anzueignen, stellen viele Landesinstitute Fortbildungen und Literatur zu Migrationsfragen bereit. Sie können aber auch selbst aktiv werden – viele Verlage bieten gute themenspezifische Literatur. Mit etwas Internetrecherche findet man zahlreiche Fortbildungen verschiedener Anbieter, die oft auch online absolviert werden können. Sicher sind die meisten nicht speziell für Lehrkräfte an beruflichen Schulen, bieten aber bestimmt dennoch einen Mehrwert. In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen zum Beispiel die Kurse der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung ans Herz legen. Die Akademie bietet Fortbildungen zu verschiedensten Themenbereichen an, auch speziell zu Interkulturalität. So gibt es bis Ende August 2024 die Möglichkeit, kostenfrei folgenden Online-Kurs zu besuchen: Sprachsensibler Fachunterricht – Einstiegskurs.

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HubbS-Redaktion
aktualisiert
aktualisiert: 29.01.2024