Fehler als Chance für Lernprozesse

Der Umgang mit Fehlern in der Klasse hat einen großen Einfluss auf Motivation, Selbstvertrauen und langfristige Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler. Fehler gehören – ebenso wie Erfolge – ganz selbstverständlich zum natürlichen Lernprozess. Wichtiger Bestandteil einer positiven Lernkultur ist es, Fehlerrückmeldungen gezielt zu nutzen, um Lernprozesse zu fördern und zu vertiefen. Wenn Schülerinnen und Schüler Fehler machen, zeigt das, dass sie sich aktiv mit neuen Inhalten auseinandersetzen. Fehler sind dabei kein Rückschritt, sondern ein wertvoller Teil des Lernens. Denn das Gehirn lernt durch Korrektur: Durch das Erkennen und Verbessern von Fehlern werden neuronale Prozesse aktiviert, die Verbindungen im Gehirn stärken und das Verständnis nachhaltig vertiefen. So werden Fehler zu Chancen – und zu wichtigen Bausteinen erfolgreichen Lernens.
Formative vs. summative Fehlerrückmeldung
Rückmeldungen sind ein zentraler Bestandteil des Lernens. Sie helfen den Auszubildenden, ihre fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln und ihren Lernfortschritt im Zusammenspiel von Schule und Betrieb besser einzuschätzen. Dabei wird unterschieden zwischen formativer und summativer Rückmeldung, die unterschiedliche Ziele verfolgen, sich aber sinnvoll ergänzen.
Die formative Rückmeldung erfolgt während des Lernprozesses und dient der Lernbegleitung und -förderung. In der Berufsschule ist sie besonders wichtig, weil Lernende hier komplexe berufliche Handlungskompetenzen aufbauen, die kontinuierliche Unterstützung und Reflexion erfordern. Sie ist prozessorientiert und gibt Hinweise, wie Auszubildende ihre Leistung gezielt verbessern können. Zudem unterstützt sie die Selbsteinschätzung und Eigenverantwortung der Lernenden. Nicht zuletzt fördert sie auch den Transfer zwischen Theorie und Praxis, etwa durch Gespräche über betriebliche Erfahrungen oder zu Projektarbeiten. Als Lehrkraft können Sie formative Rückmeldung zum Beispiel in Form von Feedbackgesprächen, Lernjournalen, Portfolioarbeit oder Zwischenreflexionen nach Unterrichtsphasen geben. Seien Sie bei ihrer Rückmeldung möglichst spezifisch – zeigen Sie deutlich, was verbessert werden kann und wie. Vermeiden Sie allgemeine Urteile wie „Gut“ oder „Falsch“ und setzen Sie stattdessen gezielt an konkreten Lernschritten an. Die formative Rückmeldung sollte immer möglichst zeitnah erfolgen, damit der Lernimpuls noch aktuell ist.
Die summative Rückmeldung erfolgt am Ende eines Lernabschnitts oder einer Bewertungsphase. Sie fasst den erreichten Lernstand zusammen und dient der Leistungsbewertung. In der Berufsschule kann das beispielsweise die Bewertung von Klassenarbeiten, Lernfeldabschlüssen oder Zeugnissen sein. Sie ermöglicht eine objektive Bewertung und Vergleichbarkeit der Leistungen. Dazu ist sie ergebnisorientiert und dokumentiert, was die Lernenden am Ende einer Lerneinheit oder eines Schuljahres können. Bedenken Sie dabei, dass die summative Rückmeldung ohne formative Elemente leicht zu einer bloßen Bewertung ohne Lernwirkung werden kann.
Positive Fehlerkultur schaffen
Die Art und Weise, wie Sie als Lehrkraft Feedback geben, hat eine starke emotionale Wirkung auf Ihre Auszubildenden und prägt maßgeblich deren Haltung gegenüber dem Lernen. Unterstützt Ihre Rückmeldung ein sogenanntes Growth Mindset werden Fehler nicht mit Scham oder Resignation verbunden, sondern als wertvolle Bestandteile des individuellen Lernprozesses betrachtet. Ein Growth Mindset bedeutet die Überzeugung, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch Anstrengung, Lernen und Feedback wachsen können – und Fehler dabei wertvolle Chancen zum Lernen sind. Entscheidend sind bei der Rückmeldung Sprache und Tonfall: Statt zu sagen „Das war falsch“, kann eine wertschätzende Formulierung wie „Interessanter Gedanke! Lassen Sie uns gemeinsam prüfen, wie Sie diese Aufgabe anders lösen können“ Offenheit und Lernbereitschaft fördern. Wenn Sie Fragen stellen, anstatt sofort zu bewerten – etwa: „Wie sind Sie auf dieses Ergebnis gekommen?“, trägt dies zur Stärkung der Selbstwirksamkeit bei. Solche Fragen regen zur Reflexion an und helfen den Lernenden, eigene Lösungswege zu erkennen und das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu stärken.
Neben der persönlichen Interaktion mit Ihren Schülerinnen und Schülern braucht es auch ein Unterrichtsklima, in dem das Machen von Fehlern nicht an den Pranger gestellt, sondern als gemeinsame Lernchance verstanden wird. Eine fehlerfreundliche Lernkultur schafft Vertrauen, Offenheit und die Grundlage für ergiebiges Lernen. Ein zentraler Bestandteil ist die gemeinsame Fehleranalyse: Wiederkehrende Fehler sollten Sie ohne Schuldzuweisungen im Klassenverband besprechen – mit dem Fokus auf Ursachen und Strategien zur Verbesserung. Sie als Lehrkraft können dabei als Vorbild agieren und eigene Unsicherheiten oder Lernschritte offen zeigen, um zu verdeutlichen, dass Lernen ein lebenslanger Prozess ist. Rückmeldung sollten Sie zudem fest in Ihren Unterrichtsablauf integrieren – etwa durch regelmäßig ausgemachte Zeiten am Ende von Übungsphasen. In der Berufsschule bietet es sich vor allem bei praktischen Aufgaben an, direktes Feedback zu geben, korrekte Vorgehensweisen zu zeigen und die Lernenden selbst ausprobieren zu lassen.
Für die persönliche Weiterentwicklung lohnt es sich, den eigenen Unterricht regelmäßig zu reflektieren: Wie kommt Ihre Rückmeldung bei Ihren Schülerinnen und Schülern an? Welche Formen von Feedback fördern Motivation und Lernbereitschaft am stärksten? Probieren Sie bewusst neue Formen des formativen Feedbacks aus und tauschen Sie sich im Kollegium darüber aus, wo Feedback besonders gut gelingt und wo noch Herausforderungen bestehen. So entsteht Schritt für Schritt eine Lernkultur, in der Fehler als Chancen gesehen und Lernen als gemeinsamer Prozess verstanden wird.
Literaturtipps für Ihren Unterricht:
- Dweck, Carol S. (2006): Mindset: The New Psychology of Success. New York: Random House.
- Wilkening, Monika (2016): Praxisbuch Feedback im Unterricht – Lernprozesse reflektieren und unterstützen. Beltz Verlag.
- Helmke, Andreas (2022): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität: Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Kallmeyer-Verlag.
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